Zeitenwende – einige persönliche Worte

Ein Freund und jahrzehntelanger Kunde hat es so formuliert: „Irgendwie ist alles mystisch, anders, eigenartig!“

Das trifft es auf den Punkt. Ich merke, dass einerseits vieles normal abläuft. Im November wurden zehn Betriebsprüfungen und Lohnabgabenprüfungen angemeldet – alle zwei Tage eine (!!). Schön, wir Unternehmer sind derzeit mit nichts anderem beschäftigt als mit den Arbeitszeitaufzeichnungen 2017 und Fragen rund um eine allfällige Privatnutzung des Autos im Jahr 2018.

Alle, ausnahmslos alle Unternehmer sind in der Covid 19-Situation gefordert, ihr Geschäftsmodell zu überdenken.

Einige Branchen werden mit (Schweige-)Geld zugeschüttet. Andere haben keine Geschäftsmodelle mehr.

Viele Stimmen sagen: Die Eingriffe in Grundrechte, Eigentumsrechte und Freiheitsrechte stellen eine Gesamtänderung der Verfassung dar, sind mit der Menschenrechtskonvention (Helsinki 1975! – für die Jüngeren unter uns) nicht vereinbar, unzulässig usw. Sicher ist, dass – und das ist meine ausdrücklich eigene Meinung – das Gesamtkonzept unserer schwer erkämpften Verfassung und der damit einhergehenden Gewaltentrennung in Frage gestellt wird.

Es gibt unveräußerliche Rechte. Ein voll geschäftsfähiger Mensch muss selbst entscheiden, Risiken abwägen, Verhaltensweisen wählen. Es ist unerträglich, Menschen mit einem unanfechtbaren (!!) Bescheid auf einfachgesetzlicher Basis oder überhaupt nur aufgrund einer Verordnung (!!) irgendwo einzusperren, zu überprüfen, zu drangsalieren, die Privatsphäre zu verletzen, Kontaktverfolgung zu erzwingen usw. Das sind keine Merkmale eines Rechtsstaats und unserer seit dem 9. Mai 1945 erkämpften Verfassung, Freiheit und Wohlstandsgesellschaft.

Die Maßnahmen zu C 19 – deren Richtigkeit oder Sinnhaftigkeit ich ausdrücklich nicht beurteilen möchte! – stehen nicht im Einklang mit unseren Verfassungsprinzipien.

Wo Unrecht wird zu Recht, wird Widerstand zur Pflicht!

Gerade als rechtsberatender und rechtsschützender Beruf ist dieser Grundsatz unverhandelbar.

Zugegeben, trotzdem ein vielschichtiges Thema: Das Virus nimmt nämlich keine Rücksicht auf die Rechtslage …

Demgegenüber: ein kleiner Einblick in unseren Alltag. Bekanntlich (ich schätze mal, das haben gerade noch 0,1 % der Steuerpflichtigen auf dem Radar) gibt es eine beschleunigte Gebäudeabschreibung ab dem Jahr 2020. Die gesetzlichen Regelungen scheinen auf den ersten Blick sehr klar. Aber der Teufel steckt im Detail: Sehen Sie, womit wir uns bei Ihrer Steuererklärung beschäftigen:

  • „Bei einer Anschaffung oder Herstellung des Gebäudes nach dem 30. 6. 2020, geregelt in der Ziffer 357 (!!!) des Paragrafen 124b (!!!) des Einkommensteuergesetzes …“ – Das liest man ja regelmäßig!
  • Die beschleunigte Abschreibung darf im ersten Jahr „höchstens das Dreifache und im darauffolgenden Jahr höchstens das Zweifache des Prozentsatzes gemäß Absatz 1 Paragraf 7 Absatz 2 Einkommensteuergesetz“ betragen.

Und jetzt kommen die Zweifelsfragen:

  • Wie sieht das mit einer Halbjahresabschreibung aus? Das Gesetz sagt dazu nichts, die Literatur meint, damit sei die Halbjahresabschreibung weg. Das heißt, man darf 4,5 % z. B. bei einer Vorsorgewohnung im ersten Jahr abschreiben, unabhängig davon, ob die Anschaffung vor dem 1. 7. oder nach dem 30. 6. erfolgt; die Richtlinien werden sicher auf der Halbjahresabschreibung beharren.
    Also jetzt 0,75 % (1/2 von 1,5 %), 3,75 % (1/2 von 1,5 % und 2 x 1,5 %) oder 2,25 % (1/2 von 3 x 1,5 %) … Das wird interessant werden.
  • Und wie sieht es mit der Liebhabereivermutung aus? Das Finanzamt (Österreich) schickt ja grundsätzlich bei jedem Verlust oder Minus in der Steuererklärung gleich ein Ersuchen um Ergänzung, ob es denn nicht Liebhaberei sei, aus. Die doppelte und dreifache Abschreibung soll keinen Einfluss darauf haben; mal sehen …
  • Und dann gibt es Ankäufe von Liegenschaften, für die ein Gutachten (Grundanteil, Gebäudeanteil, Nutzungsdauer des Gebäudes) vorliegt. Wenn jetzt eine höhere Abschreibung als die im Paragraf 7 Einkommensteuergesetz festgeschriebene angesetzt wird, ist dann die im zitierten Paragrafen mal drei oder mal zwei möglich? Oder die laut Gutachten mal drei oder mal zwei? Oder die laut Gutachten mal drei oder mal zwei, maximal die sondergesetzliche mal drei oder mal zwei?

Wie wird das Ganze (C 19) finanziert? Eine zentrale wirtschaftspolitische und wichtige Frage, ganz einfach zu beantworten! Auf der Homepage der Bundesfinanzagentur der Republik Österreich können Sie ganz einfach nachvollziehen, wie das jetzt mit dem Geld funktioniert. Für Anleihen, zwanzig Jahre endfällige Laufzeit, zahlt die Republik Österreich keine Zinsen (0,00 %), auf einhundert Jahre gerade mal 0,85 % pro Jahr. Im Jahr 2020 hat die Republik Österreich bereits 60 Milliarden Euro Anleihen begeben und Geld aufgenommen – zur Tilgung von alten Anleihen und für neues Geld. Das war überhaupt kein Problem! Im Gegenteil, die Emissionen waren vielfach überzeichnet. Die 100jährige Bundesanleihe notiert bei einem Kurs von 120–130. Das heißt, der gesicherte Effektivzinssatz auf 100 Jahre (das ist 2120 – kein Schreibfehler) liegt derzeit bei etwa 0,5 %! Geld zu drucken ist für die Staaten derzeit überhaupt kein Problem. Und eine Staatsverschuldung bei 0,5 % bis 1,5 % Zinsen von 200 % des Bruttoinlandsprodukts (siehe Japan seit 30 Jahren) ist ebenfalls kein Problem.

Einerseits läuft alles wie bisher, andererseits ändert sich vieles. Geld wird verteilt und ist fast gratis. Eine Zeitenwende. Sorge dich nicht, lebe!

Ein frohes Weihnachtsfest, guten Rutsch und alles Gute im Jahr 2021!

15. Dezember 2020
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