Judikatur im Gesellschaftsrecht

Das GmbH-Gesetz kennt eine hohe Formstrenge. Viele Vorgänge bedürfen eines Notariatsaktes. Der Gesellschaftsvertrag (oder die Errichtungserklärung, wenn es nur einen Gesellschafter gibt) ist notariatsaktspflichtig. Dies gilt sowohl für den Abschluss als auch für Änderungen. Eingaben beim Firmenbuch sind beglaubigt vorzunehmen. Ausnahmen gibt es wenige, so z. B. die Änderung der Adresse oder die Übermittlung der Firmenbuchbilanzen durch uns Steuerberater.

Generalversammlungen und Gesellschafterbeschlüsse bedürfen ebenso der Form des Notariatsakts. Wenn die Formvorschriften nicht eingehalten werden, ist der Vertrag nichtig und existiert somit nicht.

Die GmbH ist davon geprägt, dass es nur einige wenige Gesellschafter gibt. Sehr häufig findet sich in den Gesellschaftsverträgen eine Bestimmung, dass der freie Verkauf eines Anteils an einen „Dritten“ nicht möglich ist. Vielmehr muss der Anteil vor einem Verkauf an einen „Dritten“ den anderen Gesellschaftern angeboten werden. Diese können sich dann überlegen, ob sie zu den Konditionen, die der „Dritte“ zu zahlen bereit ist, kaufen wollen (sogenanntes Vorkaufsrecht).

Die Geschichte läuft üblicherweise so ab:

1. Akt: Im Gesellschaftsvertrag ist geregelt, dass ein Gesellschafter, der beabsichtigt, seinen Geschäftsanteil zu verkaufen, diesen Anteil vorher allen übrigen Gesellschaftern zum Erwerb anzubieten hat.

2. Akt: Der Gesellschafter findet jemanden, der bereit ist, den GmbH-Anteil zu kaufen. Das Angebot ist ausreichend konkret. Er teilt dies seinen Mitgesellschaftern mit und bietet diesen an, den Geschäftsanteil innerhalb der im Gesellschaftsvertrag genannten Frist zu erwerben und den Kaufpreis zu bezahlen.

3. Akt: Die anderen Gesellschafter wollen den „Dritten“ nicht und beißen in den sauren Apfel. Sie nehmen das Angebot des abtretungswilligen Gesellschafters an und tun dies in Form eines notariellen Annahmeschreibens.

Das ging in einem Fall schief. Der Oberste Gerichtshof teilte mit, dass mangels formgerechten Angebots (nur schriftlich, kein Notariatsakt) die formgerechte Annahme (diese war ein Notariatsakt) ins Leere gegangen sei. Die Käufer hatten zwar bezahlt, besaßen aber nun trotzdem keinen Geschäftsanteil!

TIPP: Gehen Sie bei Formvorschriften auf Nummer Sicher! Gerade im Gesellschaftsrecht führt die Ver­letzung von Formvorschriften zur Nichtigkeit.

In Gesellschaftsverträgen finden sich häufig Regelungen, die im Falle des Ausscheidens eines Gesellschafters unter gewissen definierten Umständen vorsehen, dass die Abfindung reduziert wird (sogenannte „Bad-Leaver“-Regelungen). In älteren Verträgen findet man manchmal sogar, dass nur die Stammeinlage zu zahlen ist oder das halbe bilanzielle Eigenkapital.

Beim Landesgericht und Oberlandesgericht Linz wurden immer wieder Gesellschaftsgründungen abgelehnt, wenn im Gesellschaftsvertrag sogenannte „Bad-Leaver“-Regelungen enthalten waren, die bei der Abfindung, dem Aufgriff oder beim Vorkaufsrecht erhebliche Abschläge vorsahen. Das OLG Linz hat dies als sittenwidrig und gröblich benachteiligend gewertet.

Die Grenze des Zulässigen liegt bei der Sittenwidrigkeit. Angemessene Abschläge, bezogen auf den Verkehrswert, sind im Falle von „Bad-Leaver“-Regelungen zulässig. Notwendig ist wohl eine Berechnung, die das (anteilige) Eigenkapital ohne Abschläge und eine Berücksichtigung künftiger Ertragschancen umfasst.

TIPP: Gesellschaftsverträge durchsehen! Hier kann in Bezug auf Bewertung / Aufgriff / Abfindung ein Handlungsbedarf bestehen.

1. Februar 2021
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